Grundlagen
Der Ex-Kanzler und Parteichef der ÖVP, Sebastian Kurz hat jüngst die
Wasserstoff als künftig wichtigen Energieträger ins Spiel gebracht.
Er und alle, die das als vielversprechend und diskutabel befinden,
müssen sich dafür in sozialen Medien verspotten lassen.
Einerseits wird
behauptet, dass batterieelektrische Fahrzeuge ohnehin bereits als
Lösung bereitstünden und einen besseren Nutzungsgrad der
eingebrachten Energie aufweisen würden. Letzteres ist richtig –
batterieelektrische Antriebe weisen trotz Belade- und
Entladeverlusten bessere Nutzungsgrade auf.
Ausgeblendet wird
dabei, dass PKW's für nur 15% des CO-2 – Ausstoßes verantwortlich
sind. Bei einer PKW-Lebensdauer von 10 Jahren ist also bei
vollständigem Ersatz durch E-Fahrzeuge im Zuge der Neuanschaffung
von einem Sparpotential von 1,5% CO-2 jährlich auszugehen. Die
Lieferketten für PKW sind bei weitem außerstande das ab heutigem
Tag zu realisieren.
Bei einer gesamthaften Betrachtung muss es daher sehr wohl auch um diese restlichen 85% CO-2 gehen. Diese resultieren aus Energiegewinnung, Industrie, Landwirtschaft, Güterbeförderung, Flug- und Schiffsverkehr.
Bei einer gesamthaften Betrachtung muss es daher sehr wohl auch um diese restlichen 85% CO-2 gehen. Diese resultieren aus Energiegewinnung, Industrie, Landwirtschaft, Güterbeförderung, Flug- und Schiffsverkehr.
Ein
gesellschaftlicher Konsens muss sein, dass wir die Energiegewinnung
mittel- besser kurzfristig vollständig auf erneuerbare
Energiequellen umzustellen haben. Dazu existieren in unseren Breiten
überwiegend drei Technologien:
- Wasser
- Wind
- Sonne
Wasserkraft ist im
nutzbaren und wirtschaftlich sinnvoll darstellbaren Aumaß in
Östererich fast vollständig genutzt und stellt solcherart höchstens
als kleiner Teil einer Speicherstrategie in Form von
Pumpspeicherkraftwerken eine Option dar.
Wind- und
Sonnennutzung sind also die nutzbaren Potentiale, haben aber den
bekannten Nachteil, nicht verlässlich genau dann Energie zu liefern,
wenn sie gebraucht wird. Bei Energiemangel müssen also bisher
herkömmliche Gaskraftwerke – nur die sind entsprechend rasch
hochfahrbar – einspringen. Bei einem Überschuss an erneuerbarer
Energie wird mittlerweile auf Strombörsen dafür bezahlt, dass sie
abgenommen wird. Ein technischer wie kaufmännischer Wahnwitz. Der im
Übrigen heute schon passiert, obwohl wir weit davon entfernt sind
hundert Prozent elektrische Energie aus erneuerbaren Quellen übers
Jahr beziehen zu können. Das Problem wird sich also mit dem
notwendigen und zunehmenden Ausbau von Wind und Sonne verschärfen.
Dieser steht und fällt daher mit der Möglichkeit zur Speicherung
bzw. Pufferung elektrischer Energie.
Dazu gibt es zwei
ernstzuehmende Konzepte:
- Speicherung der elektrischen Energie in Batterien
- Umwandlung der elektrischen Energie in chemisch gebundene Energie in Form der Elektrolyse, bei der mittels Strom Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten wird.
Batteriespeicherung:
Eine konzentrierte Batteriepeicherung nahe der Erzeugungsstelle, also
z. B. des Wind- oder Sonnenkraftwerkes scheint aus heutiger Sicht
weder ökonomisch noch technisch sinnvoll. Was möglich wäre, wäre
das seit mehr als einem Jahrzehnt herumgeisternde „Intelligent
Grid“ - also das intelligente Stromnetz, in dem dezentrale
Speicherung der elektrischen Energie die Schlüsselrolle spielt. Die
dezentralen Speicher sind bei einem weitgehend ausgerollten Umstieg
in Elektromobilität in der Summe aller dann verfügbaren PKW-Akkus
der batterielektrischen Fahrzeuge theorethisch riesig und könnten so
genutzt werden, überschüssige elektrische Energie
zwischenzuspeichern. Die Voraussetzung dafür sind entsprechend viele
batterielektrische Fahrzeuge und weiters technische Maßnahmen, die
es dem Energielieferanten erlauben auf diese zuzugreifen, also die
Akkus entweder zu befüllen oder auch zu entleeren. Die technische
Komponente ist lösbar. Schwierig scheinen mir der rechtliche und
organisatorische Aspekte zu sein, die sich sicher nicht nur in den
folgenden entscheidenden Fragen erschöpfen werden:
- Wer ist Eigentümer des Speichers?
- Wer „bezahlt“ für dessen Abnützung durch Be- und Entladung?
- Wer garantiert einen Mindestakkustand, damit geplante Fahrten durchgeführt werden können?
Das kaufmännische
Risiko trüge bei den bisher überwiegenden Geschäftsmodellen in
Form des mit dem Fahrzeug mitgekauften Akkus der Konsument. Sicher
gibt es auch Geschäftsmodelle, die dieses unternehmerische Risiko
dem Energielieferanten übertragen, indem dieser zum Eigentümer des
PKW-Akkus wird.
Dazu kommt ein sehr
einfacher sicherheits- und damit geopolitischer Aspekt der Versorgung
mit Schlüsselprodukten. Und DAS Schlüselprodukt sind in dem Fall
die Lithium-Ionen Akkus der batterieelektrischen Fahrzeuge. Diese
Akkuzellen werden samt und sonders in Fernost, überwiegend in China
gefertigt. Es existiert bis dato keine einzige europäische
Produktionsstätte. Die Entsorgung und die Wiederaufbereitung der
Schlüsselchemikalie Lithium existiert bisher nur auf dem Papier.
Die Schlüsse daraus
seien der geneigten Leserin überlassen. Was weiters außer Betracht
und auch von weitgehend selbsternannten Experten bis dato
unbeantwortet bleibt, ist der Ausbau der Ladeinfrastruktur entlang
der Verkehrswege, in den Städten und z. B. sicherheitstechnische
Aspekte öffentlich zugänglicher Ladesäulen.
Wasserstoffelektrolyse
Der durch Elektrolyse gewonnene Wasserstoff kann entweder direkt in
Druckspeicher gepumpt werden oder in Form einer Methanisierung
mittels CO-2 im P2G (Power to Gas) Verfahren als Methan in
bestehenden Erdgasinfrastrukturen (Leitungen und Speicher)
weiterverwendet werden.
Aus Sicht der
Industrie und der Energiewirtschaft ist damit ein Übergang auf
erneuerbare Energie fast völlig barrierefrei. Sämtliche Verfahren,
die thermische Energie aus einer Erdgasverbrennung benötigen wie
Stahlgewinnung, Brennöfen für Zement, Düngemittelindustrie usw.
usf. wären weiterbetreibbar wie bisher. Der Übergang de facto
unmerklich. Öl- und kohlebefeuerte Verfahren sind mit geringem
Entwicklungsaufwand auf Gasfeuerung umstellbar. Selbst
Etagenheizungen mit Gasthermen wären weiterhin benutzbar.
Auch berits in
Betrieb befindliche PKW's mit Ottomotoren wären – gasfeste Ventile
vorausgesetzt – mit geringen Investitionen nachträglich auf
Erdgasbetrieb umrüstbar.
Was gegen diese
vordergründig so attraktive Wasserstofftechnologie spricht, ist der
gegenüber der Speicherung der elektrischen Energie in Akkus,
schlechte Nutzungsgrad. Populärwissenschaftlich ausgedrückt: es
bedarf eines weit höheren primären Einsatzes von Sonnen- oder
Windenergie um z. B. einen Kilometer mit einem PKW zurückzulegen.
Schluss
Aus volkswirtschaftlicher, sicherheitpolitischer und auch ökologischer Sicht müssen für
ein qualifiziertes Urteil, welche Technologie in welchem Einsatzfeld
zu bevorzugen ist, umfangreiche systemische Betrachtungen angestellt
werden, die sich nicht nur darauf beschränken können, wie weit man
mit dem Fahrzeug A gegenüber Fahrzeug B mit einem Quadratmeter
Sonnenkollektorfläche kommt. Es müssen alle, ja wirklich alle,
Rohstoff- und Energiebedarfe jeweils systemisch ermittelt werden und
die ökologischen Langzeitkosten (die z. B. bei der Kernenergie immer
der Öffentlichkeit um den Hals gehängt werden) in Betracht und
Berechnug einfließen. Fragen der Sicherheit der Versorgung und der
Abhängigkeiten im geopolitischen Zusammenhang müssen dabei
beantwortet werden und die Antworten darauf müssen ebenso ein Teil
der Entscheidungsgrundlage sein. (Energiepolitik ist
Sicherheitspolitik – das führen die USA seit mehr als 100 Jahren
deutlich vor Augen.) Die volkswirtschaftlich langfristig günstigste
und sicherste Variante ist zu bevorzugen. Und die lautet, da bin ich
mir absolut sicher, nicht durchgehend Batterieelektrik.
Forschungsanstrengungen in die Gewinnung von Wasserstoff mittels
Elektrolyse aus erneuerbaren Stromquellen und die Verbesserung der
Wirtschaftlichkeit und Ausbeute der Verfahren sind daher mehr als zu
begrüßen. Persönliche parteipolitische Präferenzen haben in so einer wichtigen Diskussion keinen Platz.
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